Die Baugeschichte des Stiftsarmstollen
Ein einmaliges Projekt
Auslöser für den im 12. Jahrhundert wohl einzigartigen Plan zum Bau eines Wasserleitungsstollens durch den natürlichen Schutzwall der Stadtberge dürften die weiterhin unzureichende Wasserversorgung für die Felder und Gärten im inneren Stadtbereich, die ungeschützte Lage der Mühlen in Mülln und wahrscheinlich auch der zum Stadtbrand von 1127 führende Löschwassermangel gewesen sein.
An der schmalsten Stelle zwischen Festungsberg und Mönchsberg ließen die beiden größten Grundherren der Stadt - das Domkapitel und das Stift St. Peter - unter Erzbischof Konrad I. in den Jahren 1136 bis 1143 den 400 m langen Stollen ("Stiftsarmstollen") durch den Berg schlagen. Der in Dienst genommene Baumeister Albert grub von der Stadtseite des Bergs einem Quellaustritt nach. Der Stollenvortrieb erfolgte in der durch den Wasserstau einer Lehmschicht aufgeweichten Gosausandsteineinlagerung zwischen dem harten Dolomitgestein des Festungsbergs und dem daran anschließenden Konglomerat des Mönchsbergs. Das weiche Gestein ermöglichte trotz der damals zur Verfügung stehenden, nur einfachen Werkzeuge einen raschen Vortrieb, führte aber immer wieder zu Einbrüchen, die umfahren oder mit Stützgewölben gesichert werden mussten. Nach siebenjähriger Bauzeit mit zahlreichen Rückschlägen war der Stollenbau schließlich vollendet. Auch die Errichtung des hölzernen Zuleitungsgerinnes, welches bis 1160 durch das ausgedehnte Leopoldskroner Moor bis zum Rosittenbach ausgebaut wurde, gestaltete sich sehr aufwändig und kostete letztlich sogar mehr als der gesamte Stollenbau. Das durch den Berg geleitete Wasser wurde zwischen den nahe am Stollenausgang angelegten Mühlen des Domkapitels und des Klosters St. Peter aufgeteilt.
Nach größeren Einstürzen in den Jahren 1596, 1707 und 1790 wurden die wiederhergestellten Stollenabschnitte in den unterschiedlichsten Bauweisen mit trapezförmigen Steinsätzen, Spitzgewölben, Rundbögen und Steinpackungen ausgekleidet. Der Stollenquerschnitt variiert zwischen 0,8 und 1,2 m Breite und 1,4 bis 2,2 m Höhe. Viele Sanierungsbereiche sind mit eingemeißelten Jahreszahlen datiert. Die Kanalsohle wurde mit Marmorplatten ausgelegt, wobei hier sogar Grabplatten aus dem ehemaligen Domfriedhof, den Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau 1602 abbrechen ließ, Verwendung fanden.
Etwa in der Mitte des Stiftsarmstollens zweigt ein Verbindungsgang zum westlich parallel verlaufenden, um 1562 angelegten Brunnstollen von St. Peter ab, der heute noch zur Wasserversorgung des Klosters dient. An dieser Stelle führt auch ein ehemaliger Lüftungs- und Förderstollen nach oben, dessen bergseitige Öffnung aber verschüttet ist.
Durch den Stollen wird eine Wassermenge von 860 l/s geleitet, wobei das vorhandene Gefälle von über 4 m eine hohe Fließgeschwindigkeit bewirkt.
Zur Zeit der alljährlich im September stattfindenden Almabkehr kann der eindrucksvolle Stollen begangen und besichtigt werden.