1200 Jahre Geschichte
Bereits im 8. Jahrhundert dürfte das älteste Teilstück des Almkanalnetzes - der sogenannte Müllnerarm - mit der Regulierung und Verlegung des Unterlaufes des ehemaligen Riedenburgbachs entstanden sein. An diesem künstlich, möglichst stadtnahe, am nördlichen Fuß des Mönchsbergs angelegten Gerinne wurden die ersten Mühlen betrieben, die dem ältesten Vorort der Stadt den Namen “Mülln” gaben.
Die weiterhin unzureichende Wasserversorgung für die Felder und Gärten im inneren Stadtbereich, die ungeschützte Lage der Müllner Mühlen, und wahrscheinlich auch der Stadtbrand von 1127 ließen den für die damalige Zeit einzigartigen Plan zum Bau eines Wasserleitungsstollens durch den natürlichen Schutzwall der Stadtberge entstehen.
An der schmalsten Stelle zwischen Festungsberg und Mönchsberg ließen die beiden Bauherren Domkapitel und Stift St.Peter unter Erzbischof Konrad I. in den Jahren 1136 bis 1143 den 400 m langen Stollen (“Stiftsarmstollen”) durch den Berg schlagen. Um ausreichend Wasser für die unmittelbar am Stollenausgang errichteten Mühlen herbeizuleiten wurde bis 1160 der hölzerne Zuleitungskanal durch das Leopoldskroner Moor bis zum Rosittenbach auf eine Gesamtlänge von ca. 4 km ausgebaut. Überschüssiges Wasser wurde vor dem Stollen zum Riedenburgbach und somit zu den Mühlen in Mülln abgeleitet. An dieser Wasserteilung entstand später die “Pulvermühle”, heute Kraftwerk der Stieglbrauerei in Leopoldskron. Mit der Genehmigung zum Bau eines 5 km langen Durchstichkanals vom Rosittenbach durch den Wald von Kattenau (Gartenau) bis zur Königsseeache - damals auch Alm oder Almfluß genannt - ermöglichte Kuno von Gutrat 1286 eine neuerliche, für die weitere Stadtentwicklung entscheidende Aufbesserung der Wasserführung.
Mitte des 14. Jahrhunderts gestattete Erzbischof Friedrich III. den Bürgern der Stadt für ihren Wasserbedarf im nördlichen Stadtbereich einen zweiten Wasserleitungsstollen durch den Mönchsberg zu schlagen. Das Wasser wurde aus dem Müllnerarm abgeleitet und über den Riedenburger Arm um den nördlichen Abhang des Rainbergs zum Stollen geleitet. Am stadtseitigen Stollenausgang nutzten neben dem Bürgerspital zahlreiche Mühlen, Walken, Schleifereien, Schmieden und Sägen die Wasserkraft, und es entwickelte sich an der “Gstätten” ein Zentrum des städtischen Gewerbes.
Das 1548 erbaute Städtische Brunnhaus, ein mit Almwasser betriebenes Grundwasserhebewerk versorgte zahlreiche Stadthäuser und Brunnen, sogar am gegenüberliegenden Salzachufer. Zusätzlich lieferten vom Stiftsarmstollen ausgehende hölzerne Almbrunnleitungen an über 80 Ausläufen Wasser für Brunnen, Waschhäuser, Bäder, Pferdeschwemmen und Fischkalter. Das 1664 am Südhang des Festungsberges errichtete Wasserpumpwerk des Erzbischöflichen Brunnhauses förderte mit hohem Druck Wasser für die Fontäne des Residenzbrunnens und für die höhergelegenen Häuser im Nonntal und im Kaiviertel.
In vier Teilarme aufgefächert durchzieht der Stiftsarm die Innenstadt und diente neben dem Antrieb von Mühlen und Werken auch als Entwässerungs- und Unratkanal. Um den Ausbruch von Seuchen zu erschweren siedelte Erzbischof Wolf-Dietrich die städtischen Fleischbänke “am Gries” an. Sie konnten durch Aufstau des Almwassers überflutet werden, wodurch die Abfälle bis Ende des 19. Jahrhunderts auf kürzestem Weg in die Salzach gespült wurden.
Ab 1566 erklärte sich die Erzbischöfliche Kammer als dritter “Almherr“ (neben dem Stift St. Peter und dem Domkapitel) bereit, ein Drittel der Erhaltungskosten des Kanalsystems zu bestreiten. Dies geschah, da die groß angelegten bischöflichen Fischteiche Leopoldskroner Weiher und Glanegger Geiselweiher, sowie der Ausbau neuer Wasserleitungen zu den Residenzgebäuden, zu einem erheblichen Anwachsen des Wasserbedarfs und des Instandhaltungsaufwands geführt hatten.
Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert entwickelte sich der Almkanal immer mehr zur Lebensader für Gewerbe und Fabriken innerhalb und außerhalb der Stadt. Der Köckablass in Thumegg lieferte zusätzliches Triebwasser für die Mühlen am Hellbrunnerbach. Über den Kreuzbrücklbach und den Ganshofbach wurde in Maxglan die Wasserführung von Glan und Glanmühlbach aufgebessert. Mühlen, Sägen, Walken, Schleifereien, Polierwerke, Kugelmühlen, Schmieden, Hammerwerke, Wasserpumpwerke, Bleiweiß- und Lederfabriken, Gewürz- und Lehmstampfe, Pulverfabriken, Malzmühlen, Brauereien und Feigenkaffeefabriken wurden betrieben, zahlreiche Teiche für die Eisgewinnung wurden angelegt. Grödig entwickelte sich zum Zentrum der Eisenverarbeitung und der Zementindustrie.
Im Zuge der Säkularisierung übernahm der Staat 1803 von den drei kirchlichen Almherrnhöfen auch die Verwaltung und Erhaltungspflicht für das Kanalsystem. Zur wirtschaftlichen Blütezeit des Almkanals wurden Ende des 19. Jahrhunderts vom k.k. Ärar 63 Werke mit über 100 Wasserrädern und einer Gesamtleistung von nahezu 2000 PS sowie 353 sonstige Wasserrechte registriert. Der erste Weltkrieg und die darauf folgende Wirtschaftskrise, aber auch der Ausbau des Stromnetzes führten zur Stillegung vieler Anlagen und zum fortschreitenden Verfall des Kanalsystems. 1937 zog sich der Staat als Almkanalbetreiber zurück und bestimmte mit einem speziellen Bundesgesetz die Wasserwerksgenossenschaft Almhauptkanal, die Wasserwerksgenossenschaft Stiftsarm und die Stadt Salzburg (für den Neutorarm) zu den neuen Erhaltungsträgern. Mit der technischen Leitung des Gesamtsystems wurde ein "Almmeister" betraut. Aber auch diese Konstellation konnte den langsamen Verfall des Kanalsystems nach dem zweiten Weltkrieg nicht entscheidend aufhalten.
Anfang der 1970er-Jahre war das Kanalsystem bereits so desolat, dass die Wasserführung reduziert werden musste, und sich die noch bestehenden Betriebe in ihrer Existenz gefährdet sahen. Wasseraustritte und Überflutungen, insbesondere in den aufgedämmten Kanalabschnitten, waren an der Tagesordnung. Angesichts einer Uferlänge des Almkhauptkanals von rund 24 km reichten die bescheidenen Genossenschaftsmittel nicht einmal für die notwendigsten Reparaturen der meist hölzernen, großteils völlig vermorschten Uferverbauungen aus. Kurz vor einer endgültigen Auflassung und der drohenden Zuschüttung der Kanäle fiel 1979 nach langwierigen Verhandlungen die Entscheidung für eine aus öffentlichen Mitteln geförderte Generalsanierung. So konnte glücklicherweise der Fortbestand des Salzburger Almkanals, einem in Mitteleuropa einzigartigen Kulturdenkmal historischer Wasserbaukunst, gesichert werden.